Mit Lesson Studies den hybriden Raum gestalten: Kooperation von Studierenden, Praxislehrpersonen und Mentor:innen im Langzeitpraktikum
Im Projekt «Partnerschule Berufspraxis» soll in intensiver Kollaboration zwischen der Pädagoigschen Hochschule Schwyz und der Schule Altdorf die berufspraktische Ausbildung von Studierenden der Kindergarten- und Primarstufe im Rahmen des Langzeitpraktikums (5. Semester) weiterentwickelt werden. In Anlehnung an den Ansatz der Lesson Studies wird zweimal eine Unterrichtssequenz in einem zyklischen Prozess gemeinsam geplant, durchgeführt, anhand von Beobachtungs- und Interviewdaten reflektiert und in weiterentwickelter Form erneut durchgeführt (als «Community of Practice»). Dabei arbeiten in der Regel zwei Studierende und ihre Praxislehrpersonen als Lesson Study-Team zusammen und werden durch PH-Mentor:innen unterstützt. Total sind pro Jahr ca. 12 bis 13 Studierende und ihre Praxislehrpersonen sowie fünf bis sechs Mentor:innen beteiligt.
Das ursprünglich aus Japan stammende Konzept der Lesson Study wurde in der Vergangenheit hauptsächlich als kooperativer und auf situiertes Lernen ausgelegter Professionalisierungsansatz von Lehrpersonen in der Phase der Berufsausübung angewendet. Erst in den letzten Jahren wurde es zunehmend in die erste Phase der Lehrer:innenbildung transferiert. Die Forschung zum Potenzial von Lesson Studies in der Ausbildung steht demnach noch in ihren Anfängen. Bislang sind hauptsächlich kleinere, explorative Studien verfügbar.
Die qualitativ-explorative Begleitforschung untersucht, wie Lesson Studies im Langzeitpraktikum von Studierenden eingesetzt werden und welchen Beitrag sie leisten können, um das Lernen der Schüler:innen in den Fokus zu nehmen. Im Buchkapitel wird auf das erste Umsetzungsjahr fokussiert. Ziel war, zu untersuchen, wie Teams, welche zum ersten Mal eine Lesson Study umsetzen, ihr erstes Co-Debriefing (Nachbesprechung) gestalten. Der Analysefokus lag auf der kommunikativen Kooperation der Teammitglieder. Dazu wurden die Audio-Aufzeichnungen des ersten Co-Debriefings analysiert. Damit verband sich ein exploratives Vorgehen, welches in zunächst aus einem ersten Lesen/Hören und Entdecken und einem anschliessenden Codieren bestand. Die Daten wurden in mehreren Schritten die Daten einer Diskursanalyse zugeführt, um die im Co-Debriefing stattfindende kommunikative Kooperation zu erforschen.
Erste Befunde zeigen, dass die sechs Lesson-Study-Teams das Co-Debriefing bezüglich der Länge und des thematischen Ablaufs unterschiedlich gestalteten. Das ko-konstruktiv entwickelte Lesson-Study-Modell schien genügend Raum für eine individuelle Ausgestaltung des jeweiligen Co-Debriefings zu geben. So trugen neben Lesson-spezifischen Faktoren (z.B. Unterrichtsgegenstand oder Klassenstufe) akteur:innen-bezogene Faktoren wie das Verständnis und die Einnahme der eigenen Rolle, die Gesprächsbereitschaft oder die Reflexionskompetenzen der Teilnehmenden zur je spezifischen Ausformuung bei.
Die Ausgestaltung von Co-Debriefings im Rahmen von Lesson Studies wurde in der Forschungsliteratur bisher vernachlässigt. Da das Co-Debriefing mit seinem Einbezug eines erneuten Co-Plannings die Verbindung zum nächsten Lesson-Study-Zyklus darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass dessen Qualität die Weiterentwicklung des Unterrichts beeinflusst. Damit zeigt sich das grosse Potenzial von Lesson Studies und speziell des Co-Debriefings für die Entwicklung der Lehrer:innenkompetenzen: Da der Fokus nicht primär auf der Performanz der Studierenden sondern auf dem Lernen der Schüler:innen liegt, hilft dies, pädagogisches Sehen und Denken in seinen Tiefendimensionen anzubahnen. Die systematische Erforschung verschiedener Varianten von Co-Debriefings kann daher dazu beitragen, Gelingensbedingungen für eine solche Anbahnung im Rahmen von LS zu identifizieren.
Gutzwiller-Helfenfinger, E., Knüsel Schäfer, D., Weniger, L. & Schmid, R. (2024). Mit Lesson Studies den hybriden Raum gestalten: Kooperation von Studierenden, Praxislehrpersonen und Mentor:innen im Langzeitpraktikum. In M. Ruloff, C. Wyss & T. Leonhard (Hrsg.), Lernen in Schule und Hochschule. Kooperationen und ihre Bedeutung in den Schul- und Berufspraktischen Studien (S. 157–178). Münster: Waxmann. https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4947